Mittwoch, 4. September 2013

Schwach.

Das hier ist kein leichter Post... Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich die richtigen Worte finden kann, um das zu beschreiben, was mich derzeit beschäftigt.

Ich bin immer noch "okay", die Blutwerte sind nur noch ganz leicht erhöht. Das freut mich auch, klar. Vorerst keine Transplantation. Kein Blut-Spucken, keine gelbe Haut, kein Vorführ-Objekt für angehende Ärzte sein, keine Kanülen in mir, kein sonstiger Horror.

Leider stoße ich in meiner Euphorie über die zurückgewonnene Gesundheit oft an meine Grenzen. Sobald es sommerlich warm draußen ist, fühle ich mich gefangen in meinem Körper. Ich scheine uralt zu sein, kann mich in der Hitze nur unter Anstrengung bewegen. Es wird alles schwer und alltägliche Aufgaben kaum schaffbar. Als würde ich gegen eine unsichtbare Wand laufen. Oder mit angezogener Handbremse. Der Körper signalisiert dann "Hier ist doch nicht alles in Ordnung." Mir wird schwarz vor Augen, schwindelig, irgendwann geht kaum noch ein Schritt.
Die Leber ist eben doch irreparabel kaputt und der Körper mitgenommen. Zwar ist die Grunderkrankung, die Autoimmunhepatitis, wieder unter Kontrolle und es wird zumindest kein "neuer Schaden" angerichtet, aber mein Entgiftungs-Organ ist immer noch erheblich aus dem Gleichgewicht. Ich komme mir vor wie eine verblasste Kopie meiner selbst... Jemand, den ich früher mal klasse fand, aber heutzutage doch eher enttäuschend.

Naja, ist doch nicht so schlimm.

Oder?

Doch, es ist schlimm.

Es ist schlimm, wenn ich mich ächzend und schnaufend in die dritte Etage im Haus meiner Großeltern schleppe und mich völlig außer Atem erstmal für meinen Zustand entschuldigen muss.
Es ist noch schlimmer, wenn ich meine Schwester anschnauze, weil sie mir bei einem 500m langen Fußweg "davonrennt".
Es ist auch schlimm, dass ein Ausflug in meine Heimatstadt vor kurzem erheblich davon beeinträchtigt wurde, dass ich mir nur wie ein jammerndes Wrack vorkam, auf das alle Rücksicht nehmen müssen. Kaum komme ich irgendwo an, muss ich mich auch schon ausruhen. Ein echter Sonnenschein, Quell guter Laune!
Meine beste Freundin hat eine Dachgeschosswohnung, ohne Aufzug. Auf dem Weg dorthin betete ich innerlich, durchzuhalten. Bin fast gestorben.

Der Frust ist schlimm. Und, dass ich mir oft miserabel vorkomme, wenn ich etwas nicht schaffe. Wenn ich Pläne nicht verwirklichen kann oder Leuten nicht das sagen, was sie gern hören würden. Dass ich meinen lieben Eltern nicht endlich sagen kann "Es ist wieder gut, ihr müsst euch keine Sorgen mehr um mich machen." Dass ich nicht richtig arbeiten oder weiterstudieren kann. Schreiben ist kein Problem, aber was Termine oder lange Wege angeht, ist mein Körper so unzuverlässig.
Man ist irgendwie direkt weniger wert in der leistungsorientierten Gesellschaft. Man enttäuscht andere, erfüllt weder eigene noch fremde Erwartungen.

Und bei jedem Wort, das mir gerade nicht einfällt... bei jedem Versprecher ist gleich der Hintergedanke da: "Jetzt geht's wieder bergab." Dann sage ich lieber gar nichts mehr und hoffe, dass es keiner gemerkt hat.

Und wünsche mir insgeheim doch, dass ich bald einen neuen Motor transplantiert bekomme und wieder durchstarten kann. Wieder mithalten. Wieder etwas wert sein. Bis dahin will ich mich zurückziehen, niemandem unter die Augen treten - bis endlich alles wieder gut ist.

Aber Jammern nützt nichts... Ein bisschen zusammenreißen muss man sich schon. Und ich bin vermutlich strenger mit mir selbst als alle anderen. Man kann ja alles mögliche überleben.
Das hier klingt vermutlich sowieso dramatischer als es ist. Es ist ja nur ein Teil meiner Gedanken, den ich lieber hier "ablade" als jeden Tag bei Familie und Freunden rumzujammern, wie schlecht ich dran bin. Das kann ja keiner aushalten. Hat ja auch jeder seine eigenen Sorgen. Und: man muss alles erstmal hinter sich bringen, jeden Tag überstehen - um dann hinterher zu schauen, ob man nicht einfach über das Erlebte lachen kann.

 Als Reiselektüre für meine Fahrt in die Heimat hatte ich mir übrigens in der Bahnhofsbuchhandlung eine Zeitschrift ausgesucht, deren Titelthemen mir äußerst interessant erschienen. Stellte dann im Zug fest, dass es sich dabei um ein "Magazin für Menschen ab 50" handelte. Großartig.


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