Mittwoch, 29. August 2012

Zurück in der Klinik...

Zur Zeit bin ich wieder für ein paar Tage im Krankenhaus. Da mir im Vorfeld der Transplantation die Weisheitszähne gezogen werden sollten, ließ sich ein stationärer Aufenthalt nicht umgehen - meine schlechte Blutgerinnung hätte das Risiko bei einem ambulanten Eingriff zu sehr erhöht.
Also ging es frühmorgens zum "Check-In" auf die Station, wo ich dann den ersten Tag ausschließlich mit Warterei verbrachte... Auf die Stationsärztin, auf die Blutabnahme, auf das Vorgespräch mit dem Anästhesisten. Zwischendurch durfte sich dann eine Studentin darin versuchen, mir schonmal einen Zugang zu legen. Schaffte sie auch schon nach vier Versuchen und kurz bevor ich ohnmächtig wurde.
Dann: nüchtern bleiben ab Mitternacht und auch nichts mehr trinken. Damit ich mich nicht während der Operation übergeben müsse. Dabei war ich erst nach 15Uhr dran... Man könne mir gern eine Infusion geben, falls der Durst zu stark würde, sagte mir die nette Schwester. Ohje. Der Durst war erträglich, nur das Warten wurde immer quälender. Irgendwann ging es dann los, im schicken OP-Hemd schob man mich zum OP-Saal, wo auch schon ein außerordentlich freundlicher Anästhesist auf mich wartete und mich mit netten Sprüchen aufzuheitern versuchte. Eher erfolglos. Die "Happy Pill", die sie mir zur Angstlösung gegeben hatten, wirkte irgendwie auch nicht. Aber das Lachgas dann schon, ha!
Zwei Stunden später kam ich im Aufwachraum zu mir. Die Zähne taten kein bisschen weh, dafür der Hals umso mehr (dank Intubation). Sprechen fiel mir schwer, doch irgendwie konnte ich der Schwester verständlich machen, dass ich gern noch etwas Schmerzmittel hätte. So ging es dann sorglos zurück auf mein Zimmer.
Dort angekommen, stellte ich fest, dass ich während der Operation scheinbar eine große Menge Blut geschluckt hatte. Dieses landete nämlich gerade auf meinem Hemd, dem Bett und der Schwester, nachdem mir "etwas komisch" geworden war. Das sei aber ganz normal, der Magen möge nämlich kein altes Blut... Toller Trost... So verbrachte ich die Nacht dann mit dem Loswerden des Bluts und allem, was sonst noch im Magen war.
Ansonsten ist die OP aber super verlaufen, alles wie geplant, keine der möglichen Komplikationen trat ein. Zum Glück - denn einen gebrochenen Kiefer hätte ich vermutlich nicht ganz so locker weggesteckt. Bisher seien meine Wangen auch noch gar nicht sooo sehr geschwollen, versichern mir alle. Wäre mir aber auch egal, Eitelkeit ist hier irgendwie fehl am Platz...

Soviel erstmal von hier... Gleich gibt es lecker Suppe.

Freitag, 10. August 2012

Ich will nicht verrückt werden.

Einmal hatte ich eine neue Zimmernachbarin, eine junge Frau, etwa in meinem Alter, Yasmin hieß sie. Sie erzählte mir, dass sie drei Kinder habe und nur zu einer Routine-Untersuchung da sei. Es sei allerdings irgendetwas schiefgegangen und sie müsse nun über Nacht zur Überwachung bleiben.Wir unterhielten uns ganz entspannt, sie wirkte vollkommen normal auf mich: gepflegt, nett. Kurz darauf wurde sie in ein anderes Zimmer verlegt.
Als ich ihr einige Tage später das nächste Mal begegnete, erkannte ich sie nicht. Ihr Bett stand im Flur der Station, sie saß darauf, starrte irre in die Gegend und brüllte nach einem Arzt. Die Haare standen ihr wirr in allen Richtungen vom Kopf ab, sie wirkte wie um Jahre gealtert und schrie des öfteren vor Schmerzen auf. Zwischendurch gab sie unverständliche, jammernde Laute von sich. Sie war also nicht nur über Nacht geblieben. Anscheinend machten ihre Schmerzen sie zu einem anderen Menschen.
Ungefähr zwei Wochen später war sie immer noch da, ich traf sie am Getränkewagen, als sie sich einen Tee machte. Noch immer schienen ihr die Schmerzen zuzusetzen, sie sah müde aus. Ich erfuhr, dass bei ihrer Untersuchung wohl irgendetwas an der Gallenblase verletzt worden sei, so dass sie nun tage- oder sogar wochenlang nichts essen dürfe und starke Schmerzmittel brauchte. Es sei viel schlimmer als die Geburten ihrer Kinder, sagte sie.

Der Gedanke, vor Schmerzen verrückt zu werden, ist beängstigend. Inzwischen hat mir ein Freund davon erzählt, dass es einen so genannten Vernichtungsschmerz gibt. Ich erinnerte mich an die schlimme Nacht, in der mir schwarz vor Augen wurde und ich panisch die Hände der Ärzte und Schwestern wegschlagen wollte, um jegliche schmerzhafte (und meiner Meinung nach tödliche!) Berührung meiner Bauchdecke zu verhindern. Das war schon ein wenig am Rande des Wahnsinns. Mein Wahnsinn war glücklicherweise schnell vorbei (auch wenn mich die Aussage der Ärzte, "solche Schmerzen können bei dieser Diagnose natürlich immer mal auftreten" nicht sehr glücklich macht).

Für andere endet er nie. Auf der Station lag auch ein junger Mann. Ich sah ihn nur selten mal im Gang, aber hören konnte man ihn immer. Er hatte rund um die Uhr einen Pfleger bei sich, der an seinem Bett saß und beruhigend auf ihn einredete. Ständig rief er "Hallo, ist da jemand?" oder stöhnte vor Schmerzen. Wenn er seine Medikamente bekommen musste oder man ihm Blut abnahm oder sonstiges, geriet er offenbar regelrecht in Panik, so dass am Ende mehrere Schwestern und Ärzte für eine simple Aufgabe benötigt wurden.
Einmal saß der Mann ganz allein im Besucher-Raum. Er war ganz mager, sah ansonsten aber nicht verrückt aus. Also nicht etwa so wie die Patienten in "Einer flog übers Kuckucksnest".

In diese Kategorie passte eher die alte Frau, die nachts immer kreischte. Sie rief mitten in der Nacht laut "Hilfe, Hilfe, sie bringen mich um!" und ähnliches. Die wurde aber nach einigen Tagen weggebracht. Vielleicht entlassen.

Wie schnell man sich an solchen Irrsinn gewöhnt, bemerkte ich kurz darauf. Mein Besuch und ich saßen im Gästeraum. Kommentarlos beobachteten wir, wie ein alter Mann im Schneckentempo seinen Tropf über den Gang schob. Er trug lediglich eine Unterhose.. Als er an der Tür des Mannes mit dem Pfleger vorbeikam, rief dieser "Hallo" - der Alte blieb stehen und glotze in der Gegend herum. Wir zuckten mit den Schultern und spielten weiter Karten.

Ich hoffe, ich werde nie verrückt...